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Das Wappen

  • Autorenbild: Stella DuCrainer
    Stella DuCrainer
  • 20. Feb. 2023
  • 9 Min. Lesezeit


Eigentlich hatte ich zu solch später Stunde keinen Anruf mehr erwartet, aber bei meiner Arbeit müsste ich es eigentlich besser wissen. Es konnte ständig etwas passieren. Und ich, der bekannte Detektiv Spencer Lightwood durfte meist die besonders kniffligen Fälle lösen. Ich nahm den Anruf entgegen. Es war eine junge Frau. Sie schien in heller Aufregung. Anscheinend hatte sie eine männliche Leiche im nahen gelegenen Walde gefunden. Die junge Frau redete vor Schock derart durcheinander, dass ich sie kurz beruhigte und ihr mitteilte, ich wäre bald bei ihr. Was ich von ihrem aufgewühlten Gerede verstanden hatte, hatte sie einen toten Mann gefunden, dessen Kopf abgetrennt und seine Haut entfernt worden war. Ich dachte mir jetzt schon, dass dies wieder ein recht interessanter Fall sein würde. Sofort schnappte ich mir also meinen Mantel und die Autoschlüssel. Danach verschloss ich meine Wohnung und eilte die Treppe nach unten ins Erdgeschoss. Die Eingangstür ließ sich wie immer schwer öffnen, aber ging schlussendlich mit einem lauten Quietschen auf. Draußen angelangt, traf mich eine angenehm kühle Windböe. Mein Blick schweifte umher und blieb bei meinem schwarzen Arbeitswagen hängen. Ich spazierte zu meinem Auto, stieg ein und startete den Motor. In dieser stillen, ja beinahe lautlosen Nacht war dieser gar unangenehm geräuschvoll. Schnell fuhr ich von den Wohnhäusern weg und steuerte auf den nahen Wald zu. Auf der Straße war um diese Uhrzeit nichts mehr los, weshalb ich in weniger als fünfzehn Minuten mein Ziel schon erreichte. Ich parkte mein Auto am Waldrand und ging langsam zu der Lichtung, auf der die junge Frau scheinbar die Leiche gefunden hatte. Ich trat zu ihr und stellte mich noch einmal förmlichst vor. "Ich bin Detektiv Lightwood. Spencer Lightwood. Sie haben mich gerufen und ich bin gekommen. Dürfte ich ihren Namen erfahren, bevor ich mich der Leiche, also somit meinen neuen Fall, widme?", sagte ich sachlich. Ihr rannen noch vereinzelte Tränen über die Wangen und sie sah ziemlich aufgebracht aus, dennoch antwortete sie mir. "I...Ich bin Lacy. Lacy Brighton. Ich bin Ihnen so dankbar, dass sie gekommen sind.", meinte die junge Frau und sah mich aus verweinten Augen an. Kurzzeitig hatte ich das Bedürfnis sie in den Arm zu nehmen und Lacy zu beruhigen. Doch ich musste bei der Sache bleiben. Also warf ich noch einen letzten Blick zu und wandte ich dann der Leiche zu, die noch immer schweigend auf dem Waldboden lag. Ich näherte mich ihr langsam und ging neben ihr in die Hocke. Mit leicht geneigtem Kopf betrachtete ich die Leiche. Wie die Frau schon erwähnt hatte, war sie männlich, enthauptet und gehäutet. Ich holte mir meine Gummihandschuhe aus der Manteltasche und streifte sie mir über. Danach versuchte ich vorsichtig die Augenlider des Unbekannten zu öffnen. Sofort starrte mich blau-grünes Augenpaar an. Da ich solcherlei schon gewohnt war, schreckte ich nicht mehr zurück. Ganz nebenbei, griff ich abermals in meine Manteltasche und brachte eine kleine Taschenlampe zum Vorschein. Damit beleuchtete ich die Augen des Toten. Nachdem ich seine Augen eine Weile untersucht hatte, erhob ich mich wieder. Ich ließ meinen Blick über den Boden schweifen auf der Suche nach Hinweisen. Da fiel mir ein Schuhabdruck auf. Sofort fotografierte ich diesen ab und suchte weiter. Ich ging die gesamte Lichtung ab. Ich wollte die Suche nach Beweismitteln schon aufgeben, als ich an einem fast kahlen Busch einen Fetzen weinroten Stoffes fand. Ich pflückte das Stöffchen vom Busch, holte eine kleine Plastiktüte aus meiner Tasche und tütete das Beweisstück ein. Als ich vergeblich noch eine Runde auf der Lichtung drehte, ging ich schlussendlich zu Lacy. Diese hatte sich inzwischen ein wenig abgeregt und stand an einen Baum gelehnt am Rande der Lichtung. Ich stellte mich geradewegs vor sie hin und meinte: "Ich werde mir die Leiche in mein Arbeitsgebäude mitnehmen. Sie können also beruhigt jetzt nach Hause gehen. Ich werde mich um das Ganze kümmern." Sie nickte und verschwand eilig aus dem Wald. Ich sah ihr eine kleine Weile nach und drehte mich dann wieder zu dem Mann um. Ich seufzte leise und packte ihn dann an den Beinen. Leise zählte ich bis drei und zog ihn dann aus dem Wald. Vorsichtig hievte ich ihn in den Kofferraum meines Dienstautos, knallte die Tür zu und stieg in meinen Wagen. Ich atmete tief durch und fuhr dann zu meinem Arbeitsgebäude, dass ich nur für solche Fälle gekauft hatte. Wie immer parkte ich direkt vor der Eingangstür. Langsam öffnete ich die Tür des Kofferraums. Da ich die Leiche aber auf dem Beton nicht schleifen konnte, kramte ich schnell den Schlüssel zu dem Gebäude heraus, öffnete die Tür und verschwand nach drinnen. Kurze Zeit später kam ich mit einem Krankenbett heraus. Ich verfrachtete die Leiche auf das Bett, schloss den Kofferraum wieder und schob den Toten ins Innere des Gebäudes. Hinter mir schloss ich schnell die Tür und schob die Leiche weiter. In einem kleinen Raum stellte ich das Krankenbett ab. Ich schloss die Tür hinter mir und atmete einmal tief durch. Dann begab ich mich an den Schrank zu meiner linken Seite. Er war das Einzige Möbelstück außer eines silbernen Operationstisches, der in der Mitte des Raumes stand. Später würde ich den Leichnam auf diesen Tisch befördern, aber erst würde ich ein paar Utensilien hervorholen, damit ich danach gleich loslegen konnte. Ich nahm mir ein Skalpell, eine Lupe und noch einige andere Gerätschaften aus dem Schrank und legte sie anschließend auf den Rand des silbernen Tischchens. Danach schob ich das Krankenbett so nah an den Tisch, sodass ich den Mann mit Leichtigkeit darauf verfrachten konnte. Anschließend schob ich das Bett wieder so weit wie möglich von mir weg. Ich trat nahe an die "Arbeitsplatte" und betrachtete kurz die Leiche. Da ich noch immer meine Plastikhandschuhe anhatte, konnte ich mich gleich an die Arbeit machen. Ich untersuchte erst von oben bis unten den gesamten Körper, ohne ihn auseinander zu nehmen. Auf den ersten Blick fand ich nichts, doch bevor ich ihm die Bauchdecke aufschneiden wollte, entdeckte ich an dem Nagel seines linken Daumens etwas Eigenartiges. Ich nahm meine Lupe und untersuchte den Nagel. Ich riss überrascht meine Augen auf. Auf dem Daumennagel befand sich doch tatsächlich ein kleines Tattoo oder etwas Ähnliches. Ich betrachtete es genauer. Es schien mir wie ein Familienwappen. Ein geschwungenes "S", das aussah, als würde es von einer großen Welle verschluckt werden, war zu erkennen. Ich schwor, ich hatte dieses Wappen schon einmal zuvor gesehen, aber ich wusste nicht, wo. Nun, ich machte schnell ein Foto von diesem seltsamen Abbild und machte mich danach dran, dem jungen Mann vor mir die Bauchdecke aufzuschlitzen. Ein wenig stöberte ich im Inneren des Leichnams herum und fand heraus, dass er wohl durch das Enthaupten und nicht schon zuvor gestorben war. Jedoch hatte das Wappen am meisten mein Interesse geweckt. Ich würde auf jeden Fall zu Hause im Internet weiter forschen. Vorerst war ich mit der Leiche fertig. Ich beförderte sie wieder auf das Bett und schob sie in Richtung einer schweren Eisentür am Ende des Ganges. Mit dem Aufwand all meiner Kraft, schaffte ich es, die Tür aufzudrücken. Die Kälte schoss mir sofort entgegen. Mein Atem ließ weiße Wölkchen erscheinen. Ich tastete eine Weile im Inneren an der Wand umher, bis ich endlich fand, was ich suchte. Es klickte leise und schon wurde der Kühlraum von ein paar Neonleuchtröhren erhellt. Das grelle Licht blendete mich kurzzeitig. Doch nach ein paar Sekunden gewöhnte ich mich an die Helligkeit und schob das Bett durch die Tür. Mir stellten sich die Härchen am Arm auf, vor Kälte. Doch ich ging weiter. An einer Wand waren einige Eisentürchen, die sich öffneten, wenn man an ihnen zog. Ich suchte mir ein Türchen aus und schob es auf. Zum Vorschein kam eine silberne Platte, auf die man Leichen legte. Solche, wie sie so ziemlich jeder aus dem Fernsehen kennt. Ich verbarrikadierte den toten Mann auf die Platte und schob die Platte, mitsamt Leiche wieder in die Wand. Anschließend flüchtete ich schnell aus dem kalten Raum, bevor ich mir eine Erkältung holte. Ich schaltete das Licht ab und schloss vorsichtig die Tür wieder. Das Krankenbett ließ ich gleich in dem Raum stehen. Schnurstracks ging ich den Flur entlang. Vor der Tür hielt ich kurz inne und trat dann in die kühle Nachtluft, wobei schon langsam der Morgen zu grauen schien. Schnell schloss ich ab. Ich setzte mich in Mein Auto und brauste davon. Als ich endlich an dem Wohnhaus, indem ich hauste, ankam, konnte ich schon den Sonnenaufgang sehen. Ich stellte meinen Wagen ab und huschte dann schnell in das Gebäude. Leise schlich ich mich in meine Wohnung. Dort angekommen, legte ich erst meinen Mantel ab und schlüpfte aus meinen Schuhen. Sofort setzte ich mich vor meinen Laptop, der auf dem Wohnzimmertisch stand, und machte mich daran, über das Wappen, dass ich auf dem Fingernagel des Toten entdeckt hatte, zu recherchieren. Ich versuchte nach dem Familienwappen zu suchen. Schon beim ersten Versuch gab es einen Treffer. Es war das Wappen der Familie Sanders. Jetzt wusste ich, woher ich dieses Wappen kannte. Ich hatte einmal mit einem Freund eine Feier besucht. Auf dieser Feier hatte ich einem jungen Mann die Hand gegeben. Ich erinnerte mich an seinen Daumennagel. Darauf hatte dasselbe Wappen geprangt, wie auf dem Daumen des Unbekannten, der tot in seinem Kühlraum lag. Der Junge Mann hatte sich als Michael Sanders vorgestellt. Da ich eine Bestätigung auf meine Vermutung haben wollte, suchte ich die Telefonnummer von der Familie Sanders heraus und wählte die Nummer. Ich ließ es läuten. Irgendwann nahm eine Frau ab. "Familie Sanders!", tönte es aus dem Apparat. "Guten Morgen. Verzeihung für die Störung, aber ich wollte fragen, ob Michael Sanders vielleicht in der Nähe ist.", gab ich zurück. "Nein, leider. Ich habe ihn seit er gestern spazieren gehen wollte, nicht mehr gesehen. Tut mir leid. Kann ich sonst irgendetwas für sie tun?", fragte mich die freundliche Dame. Ich verneinte höflich, verabschiedete mich mit einem Danke schön und legte auf. Jetzt war ich mir ziemlich sicher, dass Michael Sanders der tote Unbekannte war. Nur wer hatte ihn getötet? Und weshalb? Aber das würde ich alles noch herausfinden, da war ich mir zu hundert Prozent sicher. Ich dachte wieder kurz an die Frau, die ihn gefunden hatte. Da fiel mir im Nachhinein auf, dass sie nicht nur richtig geschockt, sondern sich auch Schuld in ihren Augen widergespiegelt hatte. Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich genau auf den Ausdruck der Augen von Lacy. Hatte in ihren Augen etwa Schuld gestanden, als sie die Leiche angesehen hatte? Ich war mir nicht sicher. Dazu müsste ich sie untersuchen. Ich suchte ihre Adresse heraus und schrieb sie mir auf. Mit dem Zettel in der Hand zog ich mich wieder an, stopfte mir dann den Zettel in die Manteltasche und fuhr zu der Adresse, die das Internet ausgespuckt hatte. Es stellte sich heraus, dass Lacy Brighton ein kleines Häuschen besaß. Ich trat auf ihre Veranda und betätigte die Türglocke. Nach einer kleinen Weile öffnete sich die Tür und sie stand vor mir. In einem wunderschönen blauen Sommerkleid, das sich perfekt an ihren Körper schmiegte. Ich riss meinen Blick weg von ihren Hüften und heftete ihn auf ihr Gesicht. Sie sah mich verängstigt an. Um sie ein wenig zu beruhigen lächelte ich leicht und sagte dann: "Guten Tag, Lacy. Schön sie wieder zu sehen. Ich hätte ein paar Fragen an dich wegen des Falls. Dürfte ich dir diese stellen?" Ihre Augen weiteten sich ein wenig, doch schließlich bat sie mich in ihr Haus. Wir setzten uns in ihrem Wohnzimmer auf ihr Sofa. Erst versuchte ich mir Fragen zurecht zu legen, ließ es aber dann doch bleiben. "Haben sie mich direkt, nachdem sie am Tatort eingetroffen waren, angerufen?", fragte ich schließlich. Sie sah nervös umher und antwortete dann fast zu hastig. "Nun ja, ja, nein. Erm...nein." Noch immer vermied sie den Augenkontakt. "Weshalb haben sie mich nicht direkt angerufen?", bohrte ich nach. Ich beobachtete sie genau. Auch die kleinste Bewegung wurde von mir registriert. Erst ein paar Minuten später gab sie mir eine Antwort, dich mich einerseits schockierte, die ich aber andererseits auch schon erwartet hatte. "Ich...ich habe ihn ermordet. Und bevor sie fragen weshalb, erzähle ich ihnen gleich die ganze Geschichte. Ich...ich hatte etwas mit Michael. Als ich herausgefunden habe, dass er mit mir nur spielte, wurde ich wütend. Ich kann mich recht schwer kontrollieren, also habe ich ihn bei einem Streit unabsichtlich gestoßen und er hat sich beim Aufprall auf der Tischkante, als er fiel, das Genick gebrochen. Erst hatte ich einen Schock, aber als ich mich fing, wusste ich, dass ich dafür sorgen müsste, dass man ihn nicht mehr erkannte. Ich trieb also ein Skalpell und andere Werkzeuge auf. Da ich im Krankenhaus arbeite, war das nicht so schwer. Dann brachte ich ihn in den Wald auf die Lichtung. Vorsichtig zog ich ihm die Haut ab und trennte den Kopf von seinem Körper. Ich vergrub die Haut und den Kopf mehr in der Mitte des Waldes. Ich kehrte zurück, aber als ich ihn da so liegen sah, begannen mir die Tränen über die Wange zu laufen. I..ich musste dafür sorgen, dass er gefunden wird. Also rief ich Sie an. Ich wollte das doch gar nicht. Ich hatte das doch gar nicht gewollt." Sie begann zu weinen. Sie schluchzte so laut, dass ich sie irgendwann in den Arm nahm, obwohl sie die Mörderin war. Irgendwann, als sie sich beruhigt hatte, ließ ich sie wieder los. "Ich werde Sie nun mitnehmen und der Polizei übergeben müssen.", sagte ich mit Bedauern. Langsam stand ich auf und sah auf sie hinab. Sie erhob sich ebenfalls und blickte zu Boden. Ich seufzte leise. Lacy ging vor mir her nach draußen. Bei meinem Wagen angelangt, hielt ich ihr die Beifahrertür auf. Sie schlüpfte ins Wageninnere und ich schloss die Tür wieder. Danach begab ich mich auf die andere Seite meines Autos. Ich stieg ein und startete den Motor. Nach ein paar Minuten Autofahrt waren wir schließlich bei der Polizei angelangt. Ich begleitete Lacy nach drinnen und übergab sie der Polizei. Diese dankte mir, wie jedes Mal. Ich verzog mich wieder leise und machte mich wieder auf zu meiner Wohnung. Bevor ich diese jedoch betreten konnte, klingelte erneut mein Handy.

November 2018


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